casa de copiii

KINDERHEIME & RUMÄNIEN

ein fotoprojekt, entstanden in zusammenarbeit mit viorel enache/SOS casa de copiii, santana/rumänien im september 2014

casa de copiii ist rumänisch & heißt auf deutsch übersetzt „kinderheim“. in den 1990er jahren giengen in der brd bilder durch die presse von katastrophalen zuständen in rumänischen kinderheimen. berichte über massen von straßenkindern in dem ehemaligen ostblockland füllten die medien.                                    

ceausescu, der diktator des kommunistischen regimes in rumänien, verfolgte eine fünf- kind-politik, er wollte die einwohnerzahl des landes von 19 auf 30 millionen ansteigen lassen. familien mit weniger kindern mussten wesentlich mehr sozialabgaben leisten, verhütung & schwangerschaftsabbruch wurden verboten & unter krasse strafen gestellt. familien, die ihre vielen kinder nicht versorgen konnten, wurden „unterstützt“, indem ihre kinder in heime kamen. neben dem plan einen kader an gefolgstreuen kindern in diesen heimen zu erziehen, die kommunistische elite, wurden andere & intensiver hilfebedürftige kinder teilweise unter furchtbaren bedingungen verwahrt. so kam es dazu, dass es in rumänien so viele heimkinder wie in keinem anderen land auf der welt gab. nach dem fall des kommunistischen regimes wurden missstände publik. in manchen häusern, in denen sonst eine sechsköpfige familie lebte, waren über hundert heimkinder untergebracht. das magazin „der spiegel“ berichtete in den 90ern über ein kinderheim in cighid, einer kleinstadt in westrumänien, in dem kinder hospitalisiert waren & verelendeten, schockierende videoaufnahmen & bilder. ein skandal, viel an geld & sachleistungen wurde gespendet & es wurde versucht zu verändern. 

KINDERHEIME, FOTOSERIE & SANTANA

cighid liegt etwa 50km nördlich von santana, einer weiteren kleinstadt, in welcher diese fotoserie entstanden ist. im september 2014 machte ich mich auf, zusammen mit meinem vater, den „heimat“ort meiner familie in rumänien zu besuchen, santana. dort begleitete ich viorel enache mit kamera durch die 14 kinderheime des ortes. für „ihn“ eine fotodokumentation zu erstellen für EU-fördergelder für ein ausbildungsprojekt für heimkinder im rahmen der vereinigung SOS casa de copiii romania (SOS kinder-dörfer rumänien). für „mich“ die möglichkeit einblicke in diese welt zu bekommen, eindrücke & stimmungen einzufangen – auch um diese an andere weiterzugeben. so entstanden diese fotos.

seit den 1990er jahren hat sich viel verändert in rumänien, nicht zuletzt durch den druck der EU für den beitritt des landes. auch die erinnerungen meiner kindheit seit meinem letzten besuch dort vor über 20 jahren sind anders als meine eindrücke von diesem besuch 2014 mit meiner kamera. veränderung, wandel, bewegung, hoffnung – positive stimmungen erlebte ich vor ort, bei den besuchen, den kontakten & gesprächen, mit den kindern & jugendlichen, den hauseltern oder betreuenden. die fotos zeigen interieur, details der häuser & zimmer, facetten des alltags. personen werden bewusst nicht gezeigt. eine entpersonalisierung, die mehr nähe & intimität zu schaffen sucht.

in den heimen hat jedes kind eine eigene geschichte. oft beginnen die wege tragisch, die zur station heim führen. mit den fotos möchte ich positives zeigen, die innewohnende stärke & kraft, möglichkeiten & chancen die offen stehen, hoffnung & mut.

UMSTURZ IN RUMÄNIEN & AUSWIRKUNGEN AUF DIE HEIME

1989 fand in rumänien die revolution statt, gewaltvoll & mit viel blutvergießen. etwa 1100 menschen kamen zu tode. ceausescu wurde von militärs hingerichtet, die übergangsregierung bestand größtenteils aus dem alten politischen kader. nach dem umsturz fanden leitungswechsel statt. auch in den heimen gab es veränderungen. konkret am beispiel santana änderte sich folgendes: aus großen schlafsälen wurden kleinere schlaf- & aufenthaltsräume, bis dato nicht existierende bäder, toiletten & küchen wurden eingerichtet. kinder wurden in tätigkeiten in haus, garten & tierhaltung miteinbezogen. die geschlossenen einrichtungen wurden geöffnet, bisher fungierten diese wie gefängnisse. heimkinder bekamen erstmalig kontakt mit anderen kindern im ort, giengen mit ihnen zusammen zur schule & konnten am regulären schulunterricht teilnehmen. freizeitaktivitäten wurden für sie initiiert & für spezielle altersgruppen differenzierte unterkunftsformen entwickelt. die häuser wurden kleiner, weniger kinder lebten zusammen in den häusern, für ältere bzw. jugendliche wurden gemeinschaftliche wohngruppen gebildet. die kinderheime sollten einen familiencharakter bekommen, durch konstant dort wohnende heimeltern & zusätzliche helfende. den kindern sollte genügend raum zur verfügung gestellt werden, wohnzimmer, spielbereiche, schlafräume ect. es wurde begonnen darauf zu achten geschwister nicht voneinander zu trennen, im gegensatz zur bisher üblichen geschlechtertrennung in den einrichtungen. das leben in den heimen sollte sich am in rumänien üblichen leben orientieren. so bekam jedes haus einen eigenen zu pflegenden garten & tiere zur haltung. ein austausch mit nachbarn & teilhabe am gemeinschaftsleben in der stadt wurden angestrebt. die kinder sollten zur selbstständigkeit erzogen werden. nach den ursprungsfamilien der kinder wurde gesucht & mit ihnen kontakt aufgenommen. geschwister wurden gesucht und versucht diese wieder zusammen zu führen. kein einfaches unterfangen – oft existierten keinerlei unterlagen mehr zu den kindern.

VERBAND SOS COPiii

der verband wurde 1990 gegründet, das sozialpädagogische projekt „das familienhaus“ startete 1991 als erstes dieser art in rumänien. zwölf familienhäuser entstanden in santana für kinder, die ihre familien nie kennengelernt hatten, für kinder & geschwister verschiedenen alters & geschlecht. das konzept hierzu wurde vom verband SOS copiii entworfen mit technischer, finanzieller & materieller unterstützung von privatpersonen & initiativen aus der schweiz, deutschland, österreich & england. unter staatlicher administration wurden hier über 130 kinder aufgezogen. zu dem reformprojekt zählte auch geeignetes personal auszubilden, an offiziell installierten ausbildungskursen nahmen in kurzer zeit über 100 erzieher*innen teil, eine monatliche zeitschrift zu relevanten themen im bereich erziehung in kinderheimen wurde herausgegeben, sowie weiterführende vertiefende broschüren. weitere institutionelle alternativen wurden in santana & weiteren ortschaften des kreises arad gegründet (tageszentren, jugendhäuser, frauenhäuser), programme für die reintegration der kinder in ihre ursprungsfamilen entwickelt (für wochenenden, ferien oder für adoptionen) – für über 100 kinder. erziehungsprogramme mit vorbereitung für das weitere soziale leben nach der zeit im kinderheim wurden entwickelt & durchgeführt. weitere institutionelle reformprojekte wanderten durch verantwortliche behörden durch ganz rumänien.

VIOREL ENACHE

viorel enache & seine familie waren in rumänien die nachbarn meiner familie & sind nahe freunde. als ich ihn als kind kennenlernte war ich schwer beeindruckt: ein hühne von über zwei metern, mit der tiefsten stimme die ich jemals von einem menschen gehört habe. in seiner jugend war er ringer & in der rumänischen nationalmannschaft aktiv. der pädagoge wurde in den 90er jahren zum sozialreformer & koordinator für die kinderheime, zuerst in santana, später für ganz rumänien. viorel enache inititierte projekte & entwickelte konzepte für kinderheime – in zusammenarbeit & unter förderung von der SOS kinderdorf initiative. in santana entstanden durch ihn 14 kinderhäuser & eine vielzahl an projekten. einige legislaturperioden lang war er bürgermeister von santana, später koordinator für den sozialwesenbereich im kreis arad.